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Predictive Analytics: Chancen und Grenzen für die Zukunft des Controllings

Predictive Analytics als Disziplin existiert in verschiedenen Formen bereits, seitdem Berechnungen durchgeführt werden können. Die Zukunft einschätzen zu können, hat die Menschen schon immer fasziniert. Das wird deutlich, wenn wir in der Geschichte zurückgehen und an Prognostiker wie Nostradamus und andere Propheten denken: Predictive Analytics wird aktiv angewendet, seitdem mit dem ersten Liniendiagramm Unternehmenstrends abgeschätzt wurden.

Ein kurzer Einblick in die Geschichte von Predictive Analytics

Keine Branche hat sich intensiver um das Etablieren von Predictive Analytics bemüht als die Finanzdienstleistungsbranche. Seit der Eröffnung von Lloyd’s Coffee House im Jahr 1686 versuchen Finanzdienstleister vorherzusagen, was die Zukunft bringt. Finanzplaner, Chief Financial Officers und Analysten verwenden seitdem viel Mühe darauf, genaue Methoden zur Vorhersage von Ereignissen zu entwickeln.

Vor den Anfängen der fortschrittlichen statistischen Analyse und des Machine Learnings konnten die verschiedenen Formen von Predictive Analytics in vier große Kategorien aufgeteilt werden:

  1. Raten: Die Standardmethode, auf die die meisten Menschen zurückgreifen. Auf der Grundlage von qualitativen und quantitativen Daten sowie Fachwissen wird versucht, wahrscheinliche Ereignisse in der Zukunft zu erraten. Ob die Ergebnisse dieser Prognosen den Zufall übertreffen, hängt in hohem Maße von den Fähigkeiten des Fachexperten ab.
  2. Visuelles Forecasting: Das visuelle Aufzeichnen von Entwicklungen ist seit Jahrzehnten beliebt, und das aus gutem Grund: Daten, die regelmäßige lineare Muster aufweisen, lassen sich gut visualisieren. Dieses Bild lässt sich beispielsweise bei der Aktienanalyse in den Medien gut beobachten: Analysten zeichnen Linien für die Unter- und Obergrenze von Aktienkursen ein und können den Zuschauern so deutlich machen, ob sich ein Aktienkauf lohnt oder nicht.
  3. Additives Forecasting: Bei dieser häufig angewendeten Budgetierungsmethode werden die Daten des vorangegangenen Zeitraums um einen bestimmten Prozentsatz anpasst – dies wird dann als Forecast bezeichnet. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Zukunftsprognose identisch mit der des vorangegangenen Zeitraums ist, was aber nur unter spezifischen Voraussetzungen funktioniert. In Zeiten von Pandemien und politischer Instabilität stellt additives Forecasting jedoch keine solide Strategie dar – es sei denn, sie ist mit außergewöhnlicher Agilität und Anpassungsfähigkeit verbunden, um sich an veränderte Umstände anzupassen.
  4. Erfindungen: Aufgrund mangelnder Kenntnisse im Bereich des Forecastings, wird diese Methode der Vorhersage überraschenderweise von vielen Organisationen und Stakeholdern angewendet.

Die ersten drei Techniken haben eines gemeinsam: Sie verwenden vorhandene Daten und versuchen, daraus zukunftsweisende Modelle zu erstellen. Was sich in den letzten 25 Jahren und insbesondere in den letzten 10 Jahren geändert hat, ist der Einsatz fortschrittlicher statistischer und Machine Learning Software zur Erstellung von Prognosen, die mathematisch fundierter sind als die frühen Ansätze.

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Was ist Predictive Analytics?

Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei Predictive Analytics um die Verwendung von Analysedaten und Algorithmen zur Vorhersage von Ereignissen. Für eine erfolgreiche Anwendung stützt sich Predictive Analytics auf zwei Datenmuster: Zyklizität und Saisonalität.

Unter Saisonalität versteht man die Erkennung von Mustern in jährlichen Daten. Wenn wir an unsere Jahreszeiten denken – Frühling, Sommer, Herbst und Winter – dann sind das Ereignisse, die sich in einem regelmäßigen Muster wiederholen. Im Finanzwesen wissen wir, dass es jährliche Ereignisse gibt, die sich erheblich auf die Daten auswirken, wie z. B. die Fristen für die Einreichung von Steuererklärungen. Auch für Konsumenten relevante Ereignisse, wie Feiertage, wirken sich auf die Wirtschaft aus.

Zyklizität beschreibt sich regelmäßig wiederholende Muster in Daten. So folgen beispielsweise die meisten Finanzdaten einem gemeinsamen Zyklus – viele Daten und Aktivitäten von Montag bis Freitag, geringere Aktivität und Datenfluss an Wochenenden. Vierteljährliche Steuererklärungen stellen beispielsweise eine häufige Wiederholung dar, die sich auf Daten auswirkt und prognostiziert werden kann.

Der springende Punkt dabei ist: Daten, die zyklisch oder saisonal sind, sind Daten, die vorhersehbar sind. Daten, die vorhersehbar sind, können mit Predictive Analytics prognostiziert werden.

 

Was Predictive Analytics nicht vorhersagen kann

Daten, die keinerlei Saisonalität oder Zyklizität aufweisen, können auch nicht vorhergesagt oder prognostiziert werden. Dieser Zusammenhang ist entscheidend, um die Grenzen von Predictive Analytics zu verstehen. Es gibt vier allgemeine Kategorien von Daten, die nicht genau vorhergesagt werden können:

  • Dinge, die noch nie passiert sind
  • Dinge, die nicht vorhersehbar sind
  • Dinge, die keine Zyklizität oder Saisonalität aufweisen
  • Dinge, die versteckte Einflussgrößen haben

Sehen wir uns zum Beispiel einmal Ereignisse an, die noch nie passiert sind: Egal wie gut und breit die Datenmenge – eine Predictive Analytics-Software hätte die COVID-19-Pandemie keinesfalls exakt vorhersagen können.

Predictive Analytics kann per Definition nicht vorhersagen, was nicht vorhersehbar ist. Ein weiteres Beispiel dafür sind politische Wahlen, wie die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten. Diese Wahlen finden zwar regelmäßig alle vier Jahre statt, in der Realität ist jedoch keine Wahl wie die andere. Die Kandidaten wechseln, andere Themen stehen im Wahlprogramm und sogar die Wählerschaft verändert sich in der Zeit zwischen den Wahlen erheblich. Aus diesem Grund funktioniert kein Vorhersagemodell, das die Wahlergebnisse vorhersagen soll – auch wenn häufig das Gegenteil behauptet wird.

Predictive Analytics kann keine Zufälle vorhersagen, also Dinge, die weder saisonal noch zyklisch auftreten. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie arbeiten mit einem Videoproduktionsteam zusammen, um Videos auf YouTube zu veröffentlichen, die ein hochkomplexes Thema erklären. Zufällig kommt eines dieser Videos sehr gut an und geht viral. Es gibt keine Möglichkeit, dieses zufällige Ergebnis vorherzusagen, auch wenn der Produktionsablauf genau durchgeplant und sehr vorhersehbar ist.

Und schließlich kann Predictive Analytics keine komplexen Modelle mit versteckten Einflussgrößen vorhersagen. Der Aktienmarkt ist dafür das perfekte Beispiel: Es werden enorme Ressourcen in den Versuch investiert, die Entwicklung des Aktienmarktes sowohl insgesamt als auch für einzelne Aktien vorherzusagen. Jedoch gibt es eine Vielzahl an verborgenen Einflussgrößen, von HFT-Algorithmen bis hin zu makroökonomischen Ereignissen, sodass es den Modellen nicht möglich ist, eine Vorhersage treffen zu können, die viel genauer ist als eine Vermutung.

Predictive Analytics und Controlling in der Praxis

Schauen wir uns ein ganz konkretes Beispiel für Predictive Analytics an, das mein Unternehmen Trust Insights vor Jahren mit einem Kunden in der Casinobranche durchgeführt hat: Das Foxwoods Casino in Connecticut benötigte Hilfe bei der Verwendung von Finanzdaten zur Erstellung einer Prognose. Die Auslastung eines Casinos sowie seine Einnahmen sind sehr gut vorhersehbar. Die Daten weisen eindeutige zyklische und saisonale Schwankungen auf, was sie perfekt geeignet für Forecasting macht.

Für unseren Kunden untersuchte mein Unternehmen die Casino-Einnahmen der letzten drei Jahre und prognostizierte mit Hilfe einer speziell entwickelten Machine Learning Software die voraussichtlichen Einnahmen der folgenden 52 Wochen. Anhand dieser Vorhersage konnte das Unternehmen leicht feststellen, welche Wochen im kommenden Jahr wahrscheinlich geringere Einnahmen als andere aufweisen.

Wie bei allen Analysen liegt auch bei Predictive Analytics der Schlüssel nicht in der Vorhersage selbst, sondern in der Art und Weise, wie man mit ihr umgeht. Genau hier liegt der Schlüssel zum Forecasting: Mit dem Wissen um die spezifischen Wochen, in denen ein Umsatzrückgang zu erwarten war, gestaltete Foxwoods Werbeaktionen, um die Besucherzahlen zu steigern und die schwachen Zeiten auszugleichen. Dazu gehörten Initiativen im Bereich PR, digitaler Werbung, Kundenvorteile, Sonderangebote und Preisanpassungen – sämtliche Werkzeuge aus dem Marketingbaukasten, die Kunden anziehen und halten sollen.

Der Nettoeffekt? Statt eines Umsatzrückgangs wie in den Jahren zuvor und des ursprünglich getätigten Forecasts verzeichnete Foxwoods ein Umsatzwachstum von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotz des Erfolgs entschied sich Foxwoods nach einem Management- und Werbeagentur-Wechsel im darauffolgenden Jahr dafür, nicht mehr mit uns zusammenzuarbeiten. Daraufhin gingen die Einnahmen auf den Ausgangswert des Vorjahres zurück. Mit anderen Worten: Das Foxwoods Casino verzeichnete einen Umsatzrückgang von 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Wie man auch hier deutlich sehen kann, geht es nicht um den Forecast selbst, sondern darum, wie wir die uns zur verfügung stehenden Informationen verwenden: welche Maßnahmen ergreifen und welche Entscheidungen treffen wir? Mit Predictive Analytics verhält es sich wie mit allen Analysen: Wenn wir nichts mit den Daten anfangen, sind sie bestenfalls eine Ablenkung. Nur wenn wir auf Grundlage der Analyse Entscheidungen treffen, können wir den Wert von Predictive Analytics tatsächlich erfahren.

Christopher S. Penn

Christopher S. Penn is an authority on analytics, digital marketing, marketing technology, data science, and machine learning. A recognized thought leader, best-selling author, and keynote speaker, he has shaped five key fields in the marketing industry: Google Analytics adoption, data-driven marketing and PR, modern email marketing, marketing data science, and artificial intelligence/machine learning in marketing. As co-founder and Chief Data Scientist of Trust Insights, he is responsible for the creation of products and services, creation and maintenance of all code and intellectual property, technology and marketing strategy, brand awareness, and research & development.

Christopher S. Penn is a 2022, five-time IBM Champion in IBM Data and AI, a Brand24 Top 100 Digital Marketer, an Onalytica Top 100 AI in Marketing influencer, and co-host of the award-winning Marketing Over Coffee marketing podcast. Prior to co-founding Trust Insights, he built the marketing for a series of startups with a 100% successful exit rate in the financial services, SaaS software, and public relations industries. His work has served brands such as Twitter, T-Mobile, Citrix Systems, GoDaddy, AAA, McDonald’s, and many others.

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